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Interview: Welche Chancen bietet Pflanzenkohle für den Klimaschutz?

Pflanzenkohle kennen und nutzen wir alle: zum Grillen. Pflanzenkohle kann aber viel mehr als Würstchen verkohlen. Wird die Kohle nicht verbrannt, sondern z.B. in der Landwirtschaft zur Bodenverbesserung angewendet, oder dauerhaft in Baumaterialien gebunden, kann CO2 „zurückgeholt“ und über viele Jahrzehnte gebunden werden („negative CO2-Emissionen“). Gleichzeitig ergeben sich Vorteile für den Boden und den Humusaufbau. Mit Pflanzenkohle kann zudem dem vielfachen Wunsch entsprochen werden, Klimaschutzprojekte vor Ort zu fördern. Doch nicht alles, was „schwarz“ aussieht, ist automatisch gut. 

Wir schauen deshalb genauer hin: Ist Pflanzenkohle gleich Pflanzenkohle? Welche Voraussetzungen müssen für einen Klimanutzen erfüllt sein? Wie kann Qualität sichergestellt werden? Und was hat es mit den „Wunderversprechen“ von Terra Preta auf sich? Hierzu sprachen wir mit Dr. Susanne Veser, Vorsitzende des Fachverbands Pflanzenkohle, und Dr. Hannes Junginger-Gestrich, Geschäftsführer von carbonfuture.

Quelle: Nikola Jovanovic

Pflanzenkohle kennen und nutzen wir fast alle: als Grillkohle. Ihr sagt aber, dass Pflanzenkohle auch eine wichtige CO2-Senke sei. Was macht Ihr anders? Werden damit dann keine Würstchen gegrillt?

Nein, wir nutzen denselben Prozess zur Kohleherstellung wie bei der Grillkohle. Die Kohle wird dann allerdings stofflich genutzt, am besten in einer Kaskade wie z.B. in der Tierfütterung (verbessert die Tiergesundheit) und als Stalleinstreu (verbessert das Stallklima), wandert dann über den Mist in die Biogasanlage (verbessert den Prozess)  und von dort aufs Feld (verbessert die Wasserhaltekapazität, Bodenfruchtbarkeit etc.). Hier bleibt sie stabil bis zu 2000 Jahre gebunden. D.h. ein Teil des CO2, das die Pflanze bei ihrem Wachstum aus der Luft geholt hat, bleibt fest auf der Erde. Das nennt man dann eine negative Emission.

D.h. das Wichtige ist, dass die Pflanzenkohle nicht mehr auf dem Grill landen kann. Wie wird das sichergestellt?

Indem die Menschen verstehen, wie die Pflanzenkohle hilft, CO2 aus der Atmosphäre an den Boden zu binden. Zertifizierten Klimanutzen oder „Credits“, wie wir sagen, gibt es nur wenn die kohlenstofferhaltende Anwendung der Pflanzenkohle nachgewiesen ist.

Quelle: Dr. Susanne Veser

Ihr sprecht von Kohlenstoffsenken. Häufig hört man auch den Begriff „negative CO2-Emissionen“. Wäre es aber nicht besser, die in Millionen von Jahren entstandenen Kohlenstoffsenken wie Steinkohle oder Erdöl gar nicht erst zu verbrennen statt erst das CO2 in der Atmosphäre abzuladen und danach wieder zurückzuholen? Was können negative Emissionen beim Klimaschutz leisten? Und was ist das Potenzial von Pflanzenkohle?

Unbedingt. Der wichtigste Hebel zum Klimaschutz sind massive Emissionsreduktionen, die Schaffung von Senken ersetzt diese nicht, natürlich ist es wichtig die fossile Kohle im Boden zu lassen. Das allein reicht aber nicht, weil wir schon zu viele fossilen Kohlenstoffträger in die Luft geblasen haben. Es gibt keine Chance mehr, die Klimaziele von Paris zu erreichen ohne zusätzliche negative Emissionen, sprich Maßnahmen, die aktiv COaus der Luft holen. Und das können bisher immer noch am allerbesten die Pflanzen. Pflanzenkohle ist neben Waldwirtschaft und Humusaufbau die dritte naturnahe Lösung mit dem Potenzial, Senken im Bereich von Gigatonnen jährlich zu schaffen. 

Es gab ja so etwas wie einen „Terra Preta“-Hype. Da werden mit der Pflanzenkohle wahre Wunder versprochen. Sind diese Versprechen gerechtfertigt?

Das Wundermittel, das alle Probleme löst, gibt es leider nicht. Pflanzenkohle ist ein Lösungsbaustein zur Bekämpfung der Klimakrise und ein Material mit faszinierenden Eigenschaften und Potenzialen. Wahre Wunder in der Anwendung sind dann zu beobachten, wenn verschiedene Faktoren zusammenkommen. Erstens ist es wichtig, dass nur mit Nährstoffen beladene Kohle in den Boden kommt und zweitens spielt die bereits vorhandene Bodenfruchtbarkeit eine große Rolle. Auf sehr fruchtbaren Böden sind dann kaum noch Ertragssteigerungen festzustellen. Anders sieht es hinsichtlich Steigerung der Pflanzengesundheit, Nährstoffauswaschungen in das Grundwasser und Trockenstressresistenz aus. Hier leistet die PK meist sehr gute Dienste.

Quelle: Dr. Hannes Junginger-Gestrich

Es gibt im Netz auch viele Anleitungen zum selbst Herstellen von Pflanzenkohle. Ist das sinnvoll? Entstehen da nicht viele Luftschadstoffe, wenn das so vor sich hin qualmt?

In Sachen Emissionen und Energieeffizienz sind automatisierte Prozesse in professionellen Anlagen immer zu bevorzugen. Aber besser, die Leute karbonisieren ihre Gartenabfälle in einer Kleinanlage oder Erdloch nach Anleitung, als dass sie diese im Kleingarten nur verbrennen. Ähnliches gilt für die Verbrennung von landwirtschaftlichen Reststoffen auf Feldern in vielen Ländern der Erde. Der positive Effekt aufs Klima ist hier die Vermeidung von Emissionen.

Und wie steht es mit der Energiebilanz? Da muss ja der Traktor das Material vom Acker holen und danach auch wieder zurückbringen.

Die Frage ist berechtigt, die Transportwege werden natürlich bei der Berechnung der Bilanz berücksichtigt und machen interessanterweise normalerweise weit weniger als 10% der Senkenleistung aus. Biomasse wird typischerweise nicht weit herumgefahren. Auch die sinnvolle Nutzung der Wärme, die beim Karbonisierungsprozess entsteht, ist ein weiteres wichtiges Kriterium, um eine wirksame CO2 Senke zu schaffen. Beim selber Pflanzenkohle herstellen mit Kleinanlagen wie dem KaskadE-Kocher oder Kon-Tiki kann das dann auch die kombinierte Grillparty sein :-).

Machen wir einen Blick nach vorne: Was steht momentan einer größeren Verbreitung von Pflanzenkohle als CO2-Senke im Weg?

Die Menschen müssen über das Konzept Pflanzenkohle informiert werden und sie müssen fundierte Informationen erhalten, um die Pflanzenkohle und ihre Funktionsweise zu verstehen. Das gilt für Privatpersonen als auch für Politiker und Verwaltungspersonal. Der Einsatz von zertifizierter Pflanzenkohle in der Landwirtschaft muss zum Wohle von Wasser, Boden, Klima, Landwirt*innen und somit der gesamten Gesellschaft gefördert und gefordert werden. Deshalb gibt es den Fachverband Pflanzenkohle e.V., der sich immer über neue Mitglieder freut, denn je mehr wir sind, desto mehr Macht haben wir.

Zum Abschluss noch die Frage: Habt Ihr dieses Jahr schon „angegrillt“?

Nein, aber es liegt schon genug Gartenschnitt vom letztem Jahr bereit, der nur darauf wartet, dass es losgeht ????

Vielen Dank für das Gespräch!

Wer von Euch jetzt richtig Lust bekommen hat, mehr über das Konzept und den Mechanismus der Pflanzenkohle zu erfahren, ist herzlich eingeladen am 29.04.2021 um 19:30 Uhr zu unserem Online-Vortrag "CO2 aus der Atmosphäre holen: Welche Chancen bietet Pflanzenkohle für den Klimaschutz?" zu kommen.
Dort sprechen wir mit Dr. Susanne Veser, Vorsitzende des Fachverbands Pflanzenkohle, der 2017 gegründet wurde und die Anwendung von Pflanzenkohle als Klimaschutzbeitrag fördern möchte und mit Dr. Hannes Junginger-Gestrich, der Geschäftsführer von carbonfuture GmbH, deren Geschäftsfeld es ist sicherzustellen, dass in Verkehr gebrachte Pflanzenkohle dauerhaft eine Kohlenstoffsenke bleibt.