Inspiration

Interview mit Santa Meyer-Nandi

Santa ist Umwelt-Juristin und wurde mit Anna zu den besten Nachhaltigkeits-Bloggern für ihr gemeinsames Projekt FindingSustainia gewählt. Sie ist Beraterin und Speakerin zu nachhaltigen Themen wie auch New Work und Wellbeing. Zusammen mit Anna ist Santa auch im Think Tank 30 des deutschen Club of Rome, wie auch Teil der Liste #Nachhaltige100 der Triodos Bank. Santa ist im Kernteam der Klimawette.

Liebe Santa, jetzt arbeiten wir seit fast 7 Jahren zusammen. Ich kenne Dich richtig gut und weiß, wie Du so tickst, unsere LeserInnen allerdings noch nicht.

Du kaufst wenig, tourst mit dem Zug durch Europa, isst sehr pflanzenbasiert, Verpackungen und Plastik findet man auch wenig bei Dir. Kurzum Du bist jemand, der so ziemlich konsequent alles Mögliche in Sachen Nachhaltigkeit durchzieht und gleichzeitig hast Du eine unglaublich vielseitige, elegante Garderobe, machst ständig irgendwelche spannenden Dinge und liebst und genießt Essen. Und das finde nicht nur ich, sondern Du erhältst regelmäßig Anfragen für Vorträge, die genau das aufzeigen sollen: Wie kann man nachhaltig und zugleich gut leben? Du sprichst gerne von einem nachhaltigen Mindset – erzähl uns doch ein bisschen davon.

Sehr gerne, liebe Anna. Etwas plump gesagt hängt sehr viel davon ab, ob das bekannte Glas als halb voll oder halb leer gesehen wird, also um die innere Disposition.

Ah, ich ahne schon, Du meinst „innere Nachhaltigkeit“.

Ja, genau. Du kennst mich halt wirklich gut. Innere Nachhaltigkeit ist super wichtig, man kann den Begriff auch mit Achtsamkeit ersetzen oder mit anderen Synonymen, die ein inneres Equilibrium beschreiben. Wenn ich genau weiß, was mir wichtig ist, was ich brauche, um frisch und froh und mit Elan durchs Leben zu gehen, dann ist das schon die halbe Miete.

Und was brauchst Du, Santa, um frisch und froh und mit Elan durchs Leben zu gehen? Gibt es so etwas wie eine Formel, die jeder für sich anwenden kann? Du bist immerhin auch auf Wohlbefinden spezialisiert.

Eine Formel? Das ist eine sehr gute Frage. Ich würde sagen, dass es wichtig ist, dass wir unsere Zeit bewusst verwenden und Räume schaffen, um sie mit Dingen zu füllen, die uns persönlich wichtig sind, für eine gute Life-Work-Balance. Es hilft natürlich auch, einen Beruf zu haben, der uns motiviert und anspricht, am besten noch für eine gute Sache. Aber auch wenn dem nicht der Fall ist, gibt es einige Möglichkeiten. Sport und Bewegung sind wichtig für unseren Körper, gesunde Ernährung natürlich auch. Unser Geist möchte aber auch angesprochen werden, wir brauchen also neue Erfahrungen oder Orte wie auch Reize durch z.B. leckeres Essen und Sachen, die wir schön und wertvoll finden. Der soziale Faktor ist auch super wichtig, also dass wir uns geliebt fühlen und aktive familiäre oder freundschaftliche Beziehungen pflegen, und zwar am besten nicht nur über soziale Medien (aber auch). Meditation, Yoga oder andere Achtsamkeits-Übungen wie der gute alte Spaziergang ohne Handy sind auch sehr wichtig, damit wir unseren teilweise doch sehr lauten und hektischen Alltag gut bewältigen und den nötigen Abstand haben, damit Stress verarbeitet wird oder gar nicht erst aufkommt.

Quelle: Loic Leray
Quelle: Jukan Tateisi

Und was schadet einem eher?

Toxische Beziehungen, ob beruflich oder privat. Mangel an Bewegung oder frischen Lebensmitteln. Zu viel Bildschirm(-arbeit), zu wenig Freiräume oder neuer Input. Der Mensch ist oft in seiner Komfortzone gefangen und doch braucht unser Gehirn, dass wir ihm neue Aufgaben und Tasks geben, die unser präfrontales Gehirn ansprechen, sonst übernimmt unser "Reptilien-Hirn" die Oberhand, das eigentlich nur darauf abzielt zu überleben und deswegen Neues meidet und seinen Vorteil sucht. Also einfach mal mit der anderen Hand die Zähne putzen, andere Routen angehen und sich auf eine Karaoke-Party trauen.

Oder unsere super tollen 30-Tages-Nachhaltigkeits-Challenges?

Absolut, Anna! Unsere super tollen 30-Tages-Nachhaltigkeits-Challenges sind auch ein super Weg zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und sich und seinem Gehirn immer wieder ein neues Abenteuer zu geben und gleichzeitig langsam und stetig nachhaltiger zu werden. Und das ganz ohne Perfektionismus und Schuldgefühl, beides Gefühle, die uns super lähmen.

Wie ging nochmal das Zitat: die Welt braucht nicht ein paar Leute, die es perfekt machen, sondern viele Menschen, die es 90 Prozent gut machen?

Genau. Das ist das gute an unseren Challenges. Viele Gewohnheiten bleiben hängen, ohne, dass man sich da weiter Gedanken machen muss. Z.B. seit unserer Plastikfrei-Challenge habe ich (fast) nie mehr meinen Beutel vergessen und mein Ladegerät vergesse ich seit unserer Kein-Zeug Challenge auch nicht mehr. Das ist alles kein Aufwand, sondern spart uns am Ende Geld und Zeit und sonstige Energie.

Quelle: Nikoline Arns

Jetzt aber zu Dir. Wie also wendest Du die oben genannte Formel für Dich an, Santa?

Für mich gilt die Hauptsächlich-Regel, sprich: ich lebe hauptsächlich pflanzenbasiert, verpackungsarm bis –frei, regional, laufe, radele oder fahre mit dem Zug. Ich kaufe mir auch fast nichts Neues und wenn dann unter nachhaltigen Gesichtspunkten. Allerdings ist bei mir nichts in Stein gemeißelt und ich erlaube mir alles, wenn es mir wirklich wichtig ist. Z.B. war ich in den 9 Jahren, seitdem ich das Flugzeug vermeide, einmal bei meiner Familie in Indien mit dem Flieger. Bei Kleidung z.B. habe ich die Regel, dass ein Teil weg muss, wenn ich mir etwas Neues kaufe.
Ein weiteres wichtiges Prinzip für mich ist: Luxus. Mit Genuss und Wertschätzung das Sonntagsei, den Kaffee, die Schokolade, die exotische Frucht genauso wie ein neues Lieblingsteil. Und als letztes lebe und liebe ich wie Du, Anna, das Konzept der Mikro-Abenteuer: der Kurz-Tripp ins Grüne, nur eine Stunde mit der Regiobahn entfernt, ein Tango-Kurs oder sonst etwas Neues, was ich sonst so nicht mache. Ganz unabhängig von „Nachhaltigkeit“ und der „moralischen Verantwortung“ wird man automatisch nachhaltiger, weil alles, was man so macht und konsumiert, belebt und gewertschätzt wird.

Dazu tut man auch seiner Gesundheit und dem Geldbeutel einen großen Gefallen, denn Klein-Vieh, wie das 5 Euro Tshirt von H&M, das schnell gekauft im Kleiderschrank verstaubt, macht auch Mist. Unsere Einstellung zu einer Handlung oder einem Produkt macht einen wahnsinnigen Unterschied. Wenn ich ein Teil liebe, pflege und lange verwende, dann ist das schon in sich nachhaltig. Wenn das Teil auch noch öko-fair produziert oder 2nd Hand ist, umso besser. Nachhaltigkeit muss nicht teurer sein. Wer hauptsächlich bio und pflanzenbasiert konsumiert, tut seiner Gesundheit einen großen Gefallen.

Quelle: Carolin Attwood

Genau, Santa, da wären wir wieder bei der „Hauptsächlich-Regel“. Hast Du noch ein paar heiße Nachhaltigkeits-Tipps?

Oh ja, wenn man mit dem Zug reist in Europa, liebe ich die Seite trainline.de. Ich mache auch gerne Zwischenstopps über Nacht oder als Mittagspause in Städten auf dem Weg, was die Reise viel angenehmer macht, z.B. von Paris nach Berlin mache ich gerne so eine Pause.

Bei Lebensmitteln habe ich seit der 5-Euro am Tag für Biolebensmittel –Challenge gelernt, dass man viel mehr aus Lebensmitteln herausholen kann, als man oder frau so denkt. Wie wäre es also mit einem Pesto aus Karottengrün, sautierte Radieschen-Blätter, oder Brühe aus Schalen und Resten? Auch Deos und Cremes sind super leicht und oft nur mit drei Zutaten zusammen gerührt.

Ich bekomme das schon alles ganz gut hin, aber es macht einen großen Unterschied, ob man es alleine macht oder mit einem Sparring-Partner (wie mit Dir, liebste Anna). In einer Gemeinschaft ist alles leichter. Deshalb gefällt mir auch die Idee der Klimawette so gut. Man lernt und erlebt und feiert und tröstet sich gegenseitig. Und man lernt natürlich von den Anderen sehr viel dazu.

Oh ja, genau das ist auch FindingSustainia für mich. Eine große Familie! Und jetzt neuerdings die Klimawette. Daher jetzt meine letzte Frage, Santa. Was findest Du an der Klimawette so toll und warum bist Du dabei?

Ich bin dabei, weil die Klimawette für mich ganz elegant und adäquat ein Thema angeht, das mir persönlich sehr am Herzen liegt: selber aktiv sein, sich zu vernetzen in einem größeren Ganzen UND gleichzeitig auch die Politik stärker in die Verantwortung nehmen. Es geht nur gemeinsam. Keiner darf den Finger auf den Anderen zeigen, sondern wir müssen und können an einem Strang ziehen. Mit Dir, Anna, und FindingSustainia ist schon Unglaubliches passiert – ich bin mehr als Ich geworden. Ich sehe die Klimawette als natürliche Konsequenz meiner-unserer Arbeit, die stark auf Individual-Handlungen wie auch Vernetzung fokussiert, ergänzt durch dieses starke politische Statement, das wir setzen. Ich bin sehr gespannt und begeistert.

Und ich erst, Santa.