Inspiration

Im Gespräch mit Andreas Neukirch - Vorstand der Prokon eG

 

In unserem Gespräch mit dem Vorstandsmitglied der Energiegenossenschaft Prokon, Andreas Neukirch, haben wir über die Verantwortlichkeit der Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft gesprochen, darüber welche Rolle einer Energiegenossenschaft zukommt und welche Richtung Deutschland einschlagen sollte, um die Energiewende erfolgreich nach vorne zu bringen. Eins ist sicher: Beim Umbau unserer Energieversorgung ist die Beteiligung von Bürger*innen ein wichtiger Erfolgsfaktor!

Lieber Herr Neukirch, Prokon setzt sich seit Jahren für eine nachhaltige Energiezukunft ein. Wie sieht diese aus? Beschreiben Sie uns Ihre Vision.

Wir lassen in einem großen Transformationsprozess das Zeitalter der fossilen Energienutzung hinter uns und schaffen es, mit Sonne, Wind und Wasser als Energiequellen die Ausbeutung des Planeten zu stoppen und die dramatischen Auswirkungen von CO2 in der Atmosphäre abzuschwächen.

Dazu benötigen wir völlig andere, teils dezentrale und intelligente Kraftwerkskonzepte, unter anderem die Sektorkopplung, Power to Gas etc., zur Versorgung mit Energie und Wärme. Deren gemeinsamer Nenner ist CO2-neutal erzeugter Strom. Hier liegt unsere Aufgabe als Prokon. Wir schaffen neue Erzeugungskapazitäten in Deutschland und anderen Ländern Europas, mit Windrädern, PV-Anlagen und das bereits seit mehr als 25 Jahren.

Als Infrastrukturanbieter liefern wir einen wesentlichen Baustein, damit die gesamtheitliche Betrachtung aller Sektoren in der Energiewirtschaft und Industrie auch vorankommt. 100 % CO2-freie Stromangebote sind im Ergebnis das Angebot, was alle Energieverbraucher von uns erwarten können.

Quelle: Prokon eG
Quelle: Prokon eG

Wer ist verantwortlich dafür, eine nachhaltigere Zukunft zu erschaffen: die Politik, große Konzerne oder doch jeder und jede Einzelne?

Eine solche Mammutaufgabe erfordert das Zusammenwirken aller. Es geht um gesetzliche Rahmenbedingungen, um technische Innovationen im Großen wie im Kleinen, um unternehmerisches Engagement und um Verhaltensanpassungen zur Reduzierung unseres generellen Energiebedarfes usw. Die Liste ließe sich beliebig verlängern und es ist kaum vorstellbar, dass am Ende irgendwer damit nicht zu tun hätte, in welcher Rolle auch immer. Daher sprechen wir auch gerne von einer wirklich weltumspannenden Koordinationsaufgabe, bei der alle zusammenarbeiten müssen. Es ist das Credo von Prokon, kooperativ und koordiniert Fortschritte zu erzielen und nicht den einsamen Kämpfer zu geben.

Kann man als Einzelner also keinen nennenswerten Beitrag zur Energie- bzw. Klimawende leisten?

Die Rechnung ist schnell gemacht: wenn 7 Mrd. Menschen auf diesem Globus die Chancen zur Reduzierung ihres persönlichen Energieverbrauches nutzen, wirkt das. Aber ich möchte davor warnen, daraus einen Dauerdruck auf jede und jeden Einzelnen zu machen und nur mit der Methode „schlechtes Gewissen“ auf viele Mitstreiter zu hoffen. Mitstreiter werden durch Motivation gewonnen. Das gilt für die einzelne Person ebenso wie für Unternehmen und die Politik sowie die Staatengemeinschaft. Und deshalb liegt der wirkliche Game-Changer darin, Zugang zu CO2-freier Energieversorgung so oft und so leicht zu schaffen wie irgendwie möglich. Dabei wird dem technologischen Fortschritt und den Rahmenbedingungen für ökologisches Wirtschaften die Schlüsselfunktion zufallen.

Wie kann eine Energiegenossenschaft dabei helfen, eine nachhaltige Energiezukunft zu schaffen?

Indem wir gemeinschaftlich das Kapital aufbringen, um möglichst viele Kraftwerke zur Nutzung regenerativer Energien ans Netz zu bringen. So steht es auch in unserer Satzung. Wir machen das als Projektentwickler mit einer großen Pipeline von neuen Projekten, als Errichter und Betreiber von Wind- und PV-Parks und als Servicebetrieb, damit auch möglichst lange alles betriebsfähig bleibt. Wir tragen also schon ein großes Stück in der Wertschöpfungskette bei.

Aber wir können und wollen dabei nicht gewinnmaximierend unterwegs sein, weil das den Herausforderungen einer nachhaltigen Energiewende nicht gerecht würde. Wollten wir maximieren, müssten wir alte Technologien bis zum letzten Tropfen Öl ausquetschen. Das hat dann aber mit den regenerativen Kraftwerkskonzepten überhaupt nichts mehr zu tun.

Zugegeben, das erfordert sogenanntes geduldiges Kapital oder besser geduldige Kapitalgeber. Der Mehrheit der Menschen ist klar, dass uns ein einseitig auf den eigenen Vorteil und den kurzfristigen ökonomischen Erfolg ausgerichtetes Handeln als Gesellschaft nicht weiterbringt. Wir müssen alte ökonomische wie technologische Zyklen durchbrechen und langfristig denken – das ist notwendig für die CO2-freie Versorgung mit Energie.

Worauf muss ich bei Ökostrom besonders achten, z. B. Erzeugung, Herkunft, Zertifikate?

Deutschland hat es in den letzten Jahren nicht geschafft, einen wirklich transparenten Ökostrommarkt aufzubauen. Das im EEG verankerte Doppelvermarktungsverbot hat zu einem teilweise skurrilen Handel mit sogenannten Herkunftsnachweisen aus dem Ausland geführt, während in Deutschland CO2-frei produzierter Strom nicht als Ökostrom angeboten werden durfte. Noch vor einer Direktvermarktung von echtem Ökostrom, geht es vor allem um die Frage, ob ein Anbieter nur Strom aus bestehenden regenerativen Kraftwerken bezieht oder ob dieser seine Energie von Unternehmen bezieht, die wesentlich in den Ausbau Erneuerbarer-Energie-Erzeugungsanlagen investieren. Transparente Erzeugung, echte Herkunftsnacheise und aktiver Ausbau der Erneuerbaren Energien sind somit die Faktoren. Denn nur dann kann man als Konsument die Ablösung von schädlichen Kraftwerken überhaupt forcieren.

Ist Deutschland bei der Energiewende auf dem richtigen Weg? Falls nein, was muss geschehen?

Unser Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) war in seinen Anfängen einmal so etwas wie ein Exportschlager für gutes rechtliches Rahmenwerk. Den Pfad haben wir aber längst verlassen. Einerseits weil die damit notwendigen Ressourcen in den Behörden für den Ausweis von nutzbaren Flächen und für Genehmigungsprozesse nicht mitgehalten haben und andererseits, weil das EEG zu wenig zu einer breiten Akzeptanz der Energiewende beigetragen hat. Es ist immer als Subventionsgesetz verstanden worden und nicht als Anstoß für eine Technologiewende, mit der Marktzugangshürden abgebaut werden sollten.

Wir müssen uns aus den Lagern herausholen, das ist meine feste Überzeugung. Denn sonst bleiben wir in diesem Dauerzustande des Blockierens. Seit Tschernobyl beobachten wir, dass die notwendigen Akteure einer Energiewende entweder mit allen Kräften an bestehenden fossilen oder atomaren Kraftwerkskonzepten festhalten wollen oder auf der anderen Seite die Energiewendebefürworter zwar das Gute wollen, es aber viel zu häufig als Abgrenzung zum schlechten Alten formulieren.

So wird das nichts.

Man stelle sich vor, nach der ersten Eisenbahnfahrt von Nürnberg nach Fürth im Jahre 1835 wäre es beim Verteufeln dieser neuen Technologie geblieben, dann könnten wir heute den Ökostrom-ICE gar nicht als super Verkehrsoption feiern. Man stelle sich weiter vor, es würde uns für den Jahrtausende alten Traum der Menschen vom Fliegen gelingen, auf eine klimaneutrale Technologie umzuschwenken. Was das für ein Motivationsschub sein könnte, anstatt den Menschen ihre Freiheitsgrade zu reduzieren. Am Ende stehen nur dann genug Sonnen-, Wind- und Wasserkraftwerke zur Verfügung, wenn die meisten, die ökonomisch, technologisch, gesetzgeberisch usw. etwas beitragen könnten, das auch wollen.

Was denken Sie: Kann Ökostrom die Welt retten?

Mit dem Weltretten bin ich vorsichtig, aber bei dem Umbau unserer Energieversorgung, wie oben beschrieben, halte ich die erneuerbaren Energien für einen Key-Player. Wenn wir es endlich schaffen, die Erde nicht mehr auszubeuten, sind wir auf einem guten Weg.

Lieber Herr Neukrich, vielen vielen Dank für dieses Interview. Wir sind auf jeden Fall hochmotiviert der Transformation hin zu nachhaltiger Energie einen neuen Schwung zu geben und hoffen sehr, dass die CO2-freie Energieversorgung in den nächsten Monaten und Jahren stark zunimmt. 

Eure Andrea 

Für alle, die bisher noch nicht so viel über die Klimawette wissen: Wir möchten bis zu den nächsten Klimaverhandlungen in Glasgow im Herbst diesen Jahres 1 Million Menschen gewinnen, die mit uns ihre Stimme für besseren Klimaschutz erheben. Mit einer real eingesparten Tonne CO2 (im Wert von 25 Euro) bist Du dabei! Denn wir wollen zeigen: Klimaschutz ist uns wirklich wichtig! Ob aus der eigenen Steckdose, auf den Straßen oder eben in Glasgow. Macht mit und feiert mit uns ein gutes klimafreundliches Leben!

Quelle: Prokon eG

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Über Andreas Neukirch - Vorstandsmitglied von Prokon eG

Andreas Neukirch hat über 25 Jahre Erfahrung in der Führung von Genossenschaften, darunter 14 Jahre als Vorstand der GLS Bank. Er kennt Prokon nicht nur durch seine Tätigkeit als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Prokon eG, sondern war auch als GLS-Vorstand 2014 und 2015 eng in die Bestrebungen eingebunden, Prokon in eine Genossenschaft umzuwandeln. Er hat zudem die GLS Beteiligungs AG sowie die GLS Energie AG mit initiiert und geleitet, welche als Eigentümer von Erneuerbaren Energienanlagen im Wert eines dreistelligen Millionen Eurobetrages Wegbereiter der Energiewende in Bürgerhand sind.