Michael Bilharz ist im Umweltbundesamt Experte für nachhaltigen Konsum und Gründer des Trägervereins 3 fürs Klima. Michael war schon immer ein gewisses Phänomen für uns, den Anna und ich vor allem über den UBA-Rechner und aus ein paar YouTube-Videos kannten. Und dann war da auf einmal diese Email, in der er mit uns und FindingSustainia gemeinsam Sache machen wollte. Blitzschnell begeisterte er uns für die Klimawette, aber das ist eine andere Geschichte. Heute befrage ich Michael einfach mal ein bisschen zu sich selber.
Lieber Michael, gehört haben wir schon viel über Dich und korrespondiert haben wir auch schon ein wenig. Und jetzt sind wir hier und stemmen die Klimawette gemeinsam.
Wir sprechen viel „zur Sache“, aber die Zeit zum Mit-Fragen-Löchern ist bisher noch nicht gekommen. Daher einfach mal im Interview-Format – für unsere lieben Leser, und ich gebe zu: auch aus eigenem Interesse. Was hat Dich überhaupt dazu bewegt, aktiv im Klimaschutz zu werden?
Ich bin leider etwas vergesslich und schon froh, mich erinnern zu können, wann ich mit meinem Umweltengagement angefangen habe: Quasi im Greta-Alter. 1989 habe ich als Schüler eine lehrerunabhängige Umwelt AG an der Schule gegründet. Warum ich das gemacht habe? Hm. Ich war da schon 3 Jahre in der kirchlichen Jugendarbeit aktiv. Vermutlich war mir das zu wenig politisch oder meine schrägen Töne beim Singen waren schuld. Oder vielleicht haben mich auch einfach meine beiden „Wyhl-politisierten“ älteren Brüder zum Umweltschutz gebracht. Oder es war der Komposthaufen, den ich auch so mit 12 als Leidenschaft entdeckt hatte. Diese Mischung aus Ekel und Faszination, was diese Würmer aus dem stinkenden Matsch am Ende für tolle Walderde zaubern.
Mhhh, spannend, und irgendwie Nachhaltigkeit über verschiedene Türchen, die Jung-Michael zum Klimaschützer machten. Erzählst Du uns auch die Geschichte des famosen Umweltbundesamt-CO2-Rechners, hinter dem, soweit meine Quellen mich nicht mit Fake, ähem, Alternativen News beliefert haben, Dein schlauer Kopf steckt?
Da darf ich mich in Bescheidenheit üben. Der Rechner wurde 2008 von KlimAktiv in einem Projekt mit dem Umweltbundesamt entwickelt. Ein Jahr bevor ich dort angefangen habe. Ich habe den UBA-CO2-Rechner erst 2013 von der Energieabteilung übernommen und damit vor dem Aus gerettet. Und bin seitdem an seiner Erhaltung und Weiterentwicklung beteiligt. Im letzten Jahr hatten wir auf alle Fälle einen riesen Erfolg mit dem Rechner und die Bestätigung, dass es richtig war, dieses tolle Kommunikations- und Bildungstool nicht aufzugeben. Während früher rund 60.000 Besucher*innen pro Jahr den CO2-Rechner gemacht hatten, waren es 2019 fast 1 Million Besucher*innen. Und ich kam vor lauter Anfragen zu nichts anderem mehr, obwohl ich diesen Rechner offiziell nur nebenher mache.
Wow, 1 Million! Genau die wollen wir ja auch mindestens mit der Klimawette knacken.
Reden & Tun
Ich mag sehr, dass Du nicht nur über die Dinge sprichst, sondern auch wirklich etwas tust. Eine Beobachtung, die für alle aus dem Klimawette-Dunstkreis gilt. Aber wie um alles in der Welt kamst Du darauf, dass es so eine Klimawette geben muss? Und wie schaffst Du es, Deine Motivation und Hoffnung so lebendig zu halten?
Die Genese der Klimawette, das ist eine lange und verzweigte Geschichte. Sie lässt sich aber mit einer Schlüsselsituation ganz gut auf den Punkt bringen: Am 17.09.2019 kam in Frontal21 ein kurzer Beitrag zum CO2-Rechner mit einem Selbstversuch der Moderatorin. Für diesen Beitrag bin ich Tage davor extra mit dem Zug nach Berlin gefahren, um zwei Sätze in die Kamera zu sagen. Und dann sagt die Moderatorin in der Mitte des Films vollkommen resigniert: “Und dann das enttäuschende Ergebnis: 8 Tonnen CO2 – trotz meiner Anstrengungen. (…) Das sind gerade mal 3 Tonnen weniger als der Bundesdurchschnitt. Das ist sehr frustrierend. Und in Wahrheit weiß ich nicht, wie ich jetzt mein Leben noch groß optimieren kann." (https://m.youtube.com/watch?v=pLFO9NPKwQ0, Min. 2:10 bis 2:53)
Und ihr Fazit: Jetzt kann nur noch die Politik helfen. Da habe ich mich ziemlich aufgeregt, zumal ich ja zuvor mit ihr gesprochen hatte. Und mir war klar: Jetzt muss ich den schon länger vage in meinem Kopf umherschwirrenden Plan für eine Kampagne aktiv angehen. Wenn Leute nach der Nutzung des CO2-Rechners so frustriert sind und ihre vielfältigen Handlungshebel, die sie haben, um tonnenweise CO2 einzusparen, nicht sehen, dann wird es höchste Zeit, den Dreiklang fürs Klima offensiver, engagierter und kreativer unters Volk zu bringen.
Oh ja, da sind wir von FindingSustainia direkt d’accord mit Dir: offensiver, engagierter und kreativer muss und kann es gehen. Siehst Du Dich als Optimisten, Zwecks-Pessimisten oder Realisten (oder irgendwas Anderes oder dazwischen)?
Ich würde sagen: Depressiver Realist mit professionellem strategisch fundiertem Optimismus. Differenziert genug? :-)
Mhhh, als Antwort erst einmal interessant. Ich werde darüber nachdenken, Michael B.
Raus aus dem Ganz-Oder-Gar-Nicht
Hast Du ein paar Tipps für (werdende) Aktivisten, wie man hoffnungsvoll, pragmatisch und effektiv aktiv sein kann, und vielleicht auch so mit seinen Energien haushaltet, dass auch Anderes (wie z.B. Familie) nicht zu kurz kommt?
Die Basisregel für „nachhaltiges“ Engagement lautet in meinen Augen: Finde Leute, mit denen es Spaß macht, sich zu engagieren. Ansonsten muss ich gestehen: Solche Tipps suche ich auch noch … Aber mit 3 fürs Klima haben wir – glaube ich – jetzt eine ziemlich coole Antwort darauf gefunden: Weder verzetteln wir uns im Klein-Klein, noch demotivieren wir uns mit überzogenen Zielvorstellungen „Welt retten“, „System ändern“ oder ähnlichem. Klimaneutral leben, das ist eben das, was Psycholog*innen eine SMARTe Zielsetzung nennen: Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert. Und das wäre dann auch so ein zweiter, nicht sehr origineller, aber oft genug übersehener Tipp: sich SMARTe Ziele vornehmen.
Michael Bs Sieben Topp-Tipps für den SMARTen Klimaschützer
SMARTe Ziele und sich nicht im Klein-Klein verzetteln – so,so. Zwischen uns steht ja noch eine Debatte offen zu Luftballons, aber dieses Battle trage ich (noch nicht) hier mit Dir aus. Dafür frage ich Dich nun nach den Topp-Tipps für den Klimaschutz, Die Deiner Ansicht nach die grösste Hebelwirkung für’s Klima haben.
Die Key Points, die jeder und jede für den Klimaschutz machen kann, hängen sehr stark von der eigenen Situation und den eigenen Möglichkeiten ab. Ich habe mal 7 Key-Points-Tipps formuliert, die eigentlich jeder und jede sofort umsetzen könnte:
Danke, Michael. Das sind tatsächlich richtig gute Tipps. Und es ist auch gut zu sehen, dass Du nicht zu sehr an der Zahl 3 hängst (wie bei 3 fürs Klima), sonst wären uns mindestens 4 tolle Tipps entgangen.
Und Ihr, liebste Klimawettler, welche Fragen würdet Ihr Michael am liebsten stellen im nächsten Interview? Welcher Top-Tipp gefällt Euch am besten? Und was sind Eure persönlichen Geheimtipps?
Ich freue mich auf Eure Kommentare.
Mit klimafreundlichen Grüßen
Eure Santa und das gesamte Klimawette-Team