Inspiration

Unsere Ernährungs-Challenge: Im Interview mit Laura von Marktschwärmer

An einem Tag in der Woche kann man seine eigenen frischen Einkäufe in ihrer Nachbarschaft abholen und dabei direkt mit den Menschen in Kontakt treten, die diese Produkte hergestellt haben. So bekommt die Redewendung "von der Hand in den Mund" eine ganz neue Bedeutung! Die Lebensmittel bei der Bewegung Marktschwärmer stammen von bäuerlichen Erzeuger*innen, Lebensmittel-Handwerker*innen und kleinen Manufakturen aus der Region. Im Durchschnitt liegen zwischen Herstellungsort und Schwärmerei nicht mehr als 30 km Transportweg - eine gemütliche Radtour! Darüber hinaus setzt sich die Bewegung aus mittlerweile schon über 120.000 Mitglieder zusammen. Wir finden das großartig und wollten deswegen mit Laura sprechen.

Wie wichtig ist euch das Thema „Klimaschutz“?

Landwirtschaft und Klima sind und waren schon immer eng miteinander verbunden. Gleichzeitig steht die Landwirtschaft oft in der Kritik für ihre hohen Treibhausgas-Emissionen. Unser Ziel bei Marktschwärmer ist es, am Aufbau eines fairen und nachhaltigen Ernährungssystems mitzuwirken und dabei spielt Klimaschutz natürlich eine Rolle.

Das Zusammenspiel von Landwirtschaft und Klima ist komplex und kann weder von Verbraucher*innen alleine, noch von einem einzigen Unternehmen von heute auf morgen verändert werden. Aber Verbraucher*innen können mit dem Wissen um das Problem umsichtiger einkaufen: Wer Lebensmittel einkauft, kann und sollte sich fragen, wo und wie sie produziert werden – und ob es nicht vielleicht eine umweltfreundlichere Alternative gibt. Neben diesem „Bildungsauftrag“ ist es uns genauso wichtig, Verbraucher*innen einen einfachen Zugang zu alternativen Einkaufsmöglichkeiten zu bieten. Und genau das tun wir mit unserer digitalen Direktvermarktungsplattform von regionalen Lebensmitteln.

Wir bei Marktschwärmer binden die Herstellung und den Handel von Lebensmitteln wieder an die Region an: Produkte werden dort hergestellt, wo sie verbraucht werden. Wir schaffen einfache, transparente und direkte Strukturen und reduzieren unnötige Transportwege. Auf diese Weise  wird die lokale Wertschöpfung unterstützt, denn Regionalität bedeutet den Erhalt von Biodiversität und fördert das ökologische Bewusstsein in unserer Esskultur.

Gleichzeitig bieten wir kleinen Landwirtschaftsbetrieben und Lebensmittelhandwerker*innen einen fairen Marktzugang. Denn die hiesige Landwirtschaft befindet sich aktuell in der Abwärtsspirale „Wachse oder weiche“. Die heutige Wirtschaftslage bevorteilt Betriebe, die möglichst große Mengen billig produzieren, in Monokultur, durch extensive Bodennutzung und durch den Einsatz fraglicher Pflanzenschutz- und Düngemittel. Dabei müssten Landwirt*innen eigentlich weniger Tiere halten, um die Umweltbelastung zu reduzieren. Aber damit steigen Haltungskosten und der Preisdruck im Lebensmitteleinzelhandel ist groß. Bei Marktschwärmer legen alle Erzeuger*innen den Verkaufspreis ihrer Produkte selbst fest, weil sie am besten wissen, was ihre Arbeit und ihre Produkte wert sind. So garantieren wir, dass auch Umwelt- oder Tierschutz fair entlohnt werden.

Ihr wollt Verbraucher und Hersteller wieder näher zusammenbringen. Warum?

Marktschwärmer setzt der Werbeflut und Anonymität eines Einkaufs im Supermarkt transparente Information und das persönliche Kennenlernen von Erzeuger*innen und Verbraucher*innen entgegen. Wir wollen, dass unsere Kund*innen und die Menschen, die ihr Essen produzieren, wieder direkt und transparent miteinander handeln können. Denn der direkte Austausch miteinander fördert Vertrauen und das Verständnis dafür, wie gute Lebensmittel erzeugt werden. So sorgen wir dafür, dass sich Einkaufen wieder gut anfühlt.

Was sollte sich im Umgang mit Lebensmitteln und Ernährung eurer Meinung nach in Deutschland verändern?

Es bedarf mehr Wertschätzung für Lebensmittel und für die Menschen, die diese anbauen und herstellen. Dafür braucht es Alternativen zum traditionellen, marktbeherrschenden Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Ohne Frage ist diese Veränderung nicht von Verbraucher*innen allein zu lösen. Alle involvierten Parteien sind hier gefragt.

Quelle: Marktschwärmer
  • Auf Anbieterseite muss es die Bereitschaft geben auch andere Modelle neben dem LEH auszuprobieren, um die Abhängigkeiten von wenigen marktbeherrschenden Akteur*innen zu verringern.

  • Die Politik muss Maßnahmen und Grundlagen schaffen, um eine vielfältige, bäuerliche und nachhaltige Landwirtschaft zu fördern.

  •  Medien und Bildungseinrichtungen müssen Verantwortung übernehmen, die breite Öffentlichkeit besser über das Thema „Lebensmittel“ aufzuklären, um die Wertschätzung und das Verständnis für unser Essen zu vergrößern.

  • Verbraucher*innen müssen ihre eigenen Überzeugungen (Unterstützung bäuerlicher Landwirtschaft, gutes Essen, Nachhaltigkeit, Transparenz etc.) auch in Kaufentscheidungen ummünzen, denn jeder Einkauf macht einen Unterschied und leistet einen wichtigen Beitrag.

Ihr sprecht bei euren Zielen auch von der Ernährungswende, was ist damit gemeint?

Dabei ist eben genau dieser bewusste Konsum bei Verbraucher*innen gemeint. Die Ernährungswende, die wir anstreben beinhaltet eine angemessene Wertschätzung für gute Lebensmittel und die Personen, die sie erzeugen. Im gleichen Zug haben regionale bäuerliche Betriebe und das Lebensmittelhandwerk einen fairen Marktzugang und alternative Netzwerke jenseits der globalisierten Märkte werden gefördert.

Welche Menschen machen bei den Marktschwärmern mit? Was haben die Hersteller und Verbraucher gemein?

Unsere digitale Plattform ist kein anonymer Online-Shop, sondern baut echte regionale Gemeinschaften und Netzwerke auf. In den Schwärmereien spielt die Vielfalt nicht nur bei den Lebensmitteln eine zentrale Rolle, sondern auch in der Zusammensetzung unserer Mitglieder und Erzeuger*innen. Hier treffen sich jede Woche Menschen, die wieder wissen wollen was in ihren Lebensmitteln steckt, wo sie herkommen und wer sie herstellt.  Erzeuger*innen und Kund*innen zugleich legen Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln und sind Teil unserer Bewegung „Fairer einkaufen. Besser essen“.

Wie kann man die Marktschwärmer unterstützen?

Beziehe deine Lebensmittel über eine unserer mittlerweile 114 Marktschwärmerein. Auf www.marktschwaermer.de kannst du Schwärmereien in deiner Nähe finden. Du bestellst Lebensmittel flexibel online – ohne Mitgliedsbeitrag oder Mindestbestellwert und holst deine Bestellung einmal in der Woche in deiner Nachbarschaft ab. Dabei lernst Du die Menschen persönlich kennen, die dein Essen erzeugen.

Sollte es noch keine Schwärmerei in deiner Nähe geben, dann kannst du einfach selber eine gründen. Mit dieser Nebentätigkeit bringst du mehr Transparenz, Fairness und Qualität auf die Teller deiner Stadt.

Und zuletzt: weitersagen! Erzähle deinem Freundes- und Familienkreis von unserem Konzept und werde Teil der Bewegung.

Was wollt ihr mit der Marktschwärmerei noch erreichen? Was ist euer Ziel?

Das Jahr 2020 hat uns, wie viele, vor große Herausforderungen gestellt. Jedoch hat diese Ausnahmesituation unsere Gemeinschaft aus unabhängigen Erzeuger*innen, inspirierenden Gastgeber*innen und bewussten Konsument*innen noch weiter gestärkt. Das Marktschwärmer-Netzwerk hat das Ziel eines fairen und nachhaltigen Ernährungssystems. Wir wollen allen Menschen den Zugang zu nachhaltigen Lebensmitteln ermöglichen und Erzeuger*innen einen fairen Preis für ihre Produkte zahlen. Diesem Ziel sind wir spürbar näher gekommen, denn trotz Abstandsregelungen und reduziertem persönlichen Kontakt ist unser Netzwerk stark gewachsen.

Im Jahr 2021 wollen wir darauf aufbauen und den Aspekt unserer Gemeinschaft stärker in den Fokus unserer Aktionen stellen und feiern, laut und mit Leidenschaft. Wir hoffen darauf, dass wir unseren Landwirt*innen bald wieder die Hand geben können – und dass sich viele von euch uns anschließen.

Was ist euer ganz persönlicher Tipp für klimafreundlicheres Essen?

Unsere drei Tipps sind wirklich einfach – probier es doch gleich bei deinem nächsten Einkauf aus:

  1. Versuche dich möglichst saisonal zu ernähren. Selbst Wintergemüse kann mit dem richtigen Rezept super lecker und abwechslungsreich zubereitet werden. Dabei lernst du auch eine andere Seite deiner eigenen Region kennen, denn entgegen der allgemeinen Annahme ist die Vielfalt der Produkte viel größer und spannender, als es Regale in Supermärkten erahnen lassen.

  2. Versuche deine Lebensmittel möglichst regional zu beziehen. Leider gibt es in Deutschland einen Dschungel an Regionalsiegeln und Zertifizierungen, die es Verbraucher*innen nicht leicht machen wirklich regionale Lebensmittel zu erkennen. Deshalb empfehlen wir die Lebensmittel direkt bei den Erzeuger*innen zu kaufen – das spart nicht nur Transportwege (z.B. von Kartoffeln aus Ägypten) sondern verringert auch die Anzahl von Lagern, Zwischenhändlern und Supermärkten. Der tolle Nebeneffekt dabei: Weniger Lebensmittelverschwendung von Überschussware im Supermarkt oder vom Transport beschädigter Lebensmittel.

  3. Verpackungen und Plastik vermeiden und Gefäße wiederverwenden – das ist kein neuer Tipp, aber bei Einkäufen direkt von Erzeuger*innen ist dies tatsächlich möglich und viel einfacher als im Supermarkt.

Liebe Laura, das sind wirklich schnell umsetzbare Tipps! Das nehmen wir in unsere Ernährungs-Challenge auf jeden Fall mit auf. Darüber hinaus spart mehr Regionalität auch noch tonnenweise CO2 . So kann jede und jeder seinen persönlichen Beitrag dazu leisten, die Ernährungswende voranzutreiben und das persönliche Lebensmittelnetzwerk nachhaltig auszuweiten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Andrea, Jacqueline und das gesamte Team der Klimawette